Andreas Ernst (1860 – 1942)

Kindheit und Jugendjahre

Andreas Ernst erblickte am 04.02.1860 in Kirdorf das Licht der Welt. Wir wissen das sowohl aus mündlicher Überlieferung, als auch aus den Kirchenbüchern, die wir bereits bei der Geschichte der Eltern unseres Andreas zitiert hatten. Hier noch einmal der dazugehörende Auszug:

1860/537, Ernst - unehelich  
Den 4. Februar gebar Ursula Goldmann, des hiesigen Ortsbürgers und Zimmermanns Johann Goldmann, zweiter, und dessen zweiter Ehefrau Elisabeth, geb. Damm, ehelich ledige Tochter, das erste uneheliche Kind, den ersten Sohn, und wurde derselbe am 6. Februar getauft, wobei er den Namen Andreas erhielt. Als Vater des Kindes bekannte sich Georg Ernst, der hiesigen Eheleute Georg Ernst und Katharina, geb. Wehrheim, ehelich lediger Sohn. Gevatter war: Andreas Damm, Hausknecht zu Homburg aus Schröck. 

Durch die Ehe legitimiert. vide Copul. Prot. frag. 244 

Abgesehen von diesen Fakten wissen wir so gut wie nichts über die frühen Kindes- und Jugendjahre unseres Andreas. Wir wissen auch nicht, warum er als uneheliches Kind eingetragen wurde und die Hochzeit der Eltern erst zwei Jahre später stattfand. Selbst mein Vater, der Andreas als eigenen Großvater noch persönlich gekannt hatte, war ganz überrascht, als er von diesem Umstand anlässlich unserer Recherchen in den Kirchenbüchern erfuhr. In der Familie ist nie darüber geredet worden. Der einfachste und wohl auch plausibelste Grund für die späte Heirat ist wohl der: Wirtschaftliche Not, sprich Armut. Es ist durchaus kein Einzelfall, dass zu jener Zeit junge Paare keine Ehe eingehen konnten, weil sie das Geld nicht hatten, einen eigenen Hausstand zu gründen, bzw. weil die Eltern aus diesem Grunde ihre Zustimmung zur Ehe verweigerten.

Während auf Seiten der Ernst’schen Vorfahren – also bezogen auf den Vater des kleinen Andreas - die bisher zugängliche Quellen beharrlich schweigen, konnten wir über die Mutter - Ursula Goldmannn – ein paar interessante Details erfahren. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, trat Andreas’ Mutter am 5.6.1859, also nicht ganz 9 Monate vor dessen Geburt, als Taufpatin (Gevatterin) in Erscheinung, und zwar als Taufpatin der kleinen Ursula, Tochter des Peter Ernst – dem Bruder ihres zukünftigen Ehemannes. 

Zwischen den beiden Familien gab es noch weitere Verflechtungen, wie wir bereits gesehen haben, bzw. noch sehen werden. Bezogen auf Andreas war es dessen Taufpate und Namensgeber Andreas Damm, Hausknecht zu Homburg aus Schröck, der der Familie der Mutter zugerechnet werden kann. Wir erinnern uns: Die Mutter von Ursula war eine geborene Damm und kam ebenfalls aus Schröck, einem kleinen Dörfchen in der unmittelbaren Nähe von Marburg. Wahrscheinlich war dieser Andreas Damm ein Onkel von Ursula oder –bereits eine Generation weiter – ihr Cousin.

 

   

Kirdorf nach Fertigstellung des „Taunusdoms“, aufgenommen in der zweiten Hälfte des 19-ten Jahrhunderts, der Kinder- und Jugendzeit von Andreas Ernst. 

 

Während bezüglich der Ernst’schen Vorfahren für die Zeit um 1860 bisher nicht einmal der Familienwohnsitz ausfindig gemacht werden konnte, gibt es für die Familie Goldmann einen vagen Hinweis: Im „Verzeichnis der Eigentümer der bebauten Grundstücke Kirdorfs um 1826“ (vgl. Kapitel 4 – „Der Wohnsitz“) ist unter der Hausnummer 119 ein Anwesen aufgeführt, für das Johannes und Philipp Goldmann als „Stockwerkseigentümer“ eingetragen sind (Auszug: Stockwerkseigentum, später in einer Hand vereinigt). Die Wahrscheinlichkeit, daß es sich hierbei um „unseren“ Johannes Goldmann - seines Zeichens Zimmermann und Vater von Ursula – handelt, ist groß, denn dieser hatte tatsächlich einen Bruder mit Namen Philipp. Damit haben wir hier vielleicht das Elternhaus von Ursula Goldmann ausfindig gemacht. Wenn wir weiterhin unterstellen, daß das Kind die ersten Jahre bei seiner Mutter verbrachte, weil noch kein eigener Hausstand vorhanden war, wäre das wohl der Ort, an dem die Wiege unseres kleinen Andreas stand. Es ist das Haus mit der heutigen Bezeichnung „Steingasse 3“ .

Für diese Erkenntnis müssen wir allerdings einen kleinen Zeitsprung in Kauf nehmen, denn die heute üblichen Straßen- und Hausnummern wurden erst um die Jahrhun-dertwende eingeführt (vgl. auch hier Kapitel 4 „Der Wohnsitz“). Das Haus mit der Nummer 119 finden wir dort unter „Steingasse 3 – linke Seite“ wieder. Es gehört jetzt (= um 1900) allerdings einem Johannes Hett 14, Maurer. Daneben finden wir noch den Hinweis auf einen Johannes Goldmann, Invalide. Hierbei kann es sich um einen Bruder von Ursula handeln, der Vater, der den gleichen Namen trug, war zu diesem Zeitpunkt schon tot. Aber dies nur zur Vervollständigung der Adressen-Recherche; in der Familienchronik sind wir zur Zeit noch etwas 40 Jahre zurück.

Die Hochzeit der Eltern im Jahre 1862 wird den kleinen Andreas noch nicht sonderlich berührt haben – ob diese mit einem Wohnsitzwechsel verbunden war, wissen wir nicht. Mehr berührt haben wird ihn da schon, dass sich im gleichen Jahr – am 3.9.1862 - eine kleine Schwester mit Namen Anna Maria zu ihm gesellte. Die Taufpatin heißt übrigens Anna Maria Goldmann und ist wohl die Schwester der Mutter – ein weiteres Indiz für den engen Kontakt der Familie Ernst zur Familie Goldmann.

Danach kommen als weitere Geschwister Elisabeth Ursula (04.02.1864), Katharina (21.3.1866) und Adam (11.11.1875) zur Welt. Auf sie wurde bereits bei der Beschreibung der Familie des Johann Georg Ernst eingegangen. Später werden sie uns wieder begegnen. An dieser Stelle wird es Zeit, das älteste Dokument vorzustellen, das bezüglich unserer männlichen Vorfahren in unsere Generation hinübergerettet wurde. Es fällt zeitlich kurz vor die Geburten des jüngsten Bruders Adam und handelt sich um das Kommunion-Andenken unseres Andreas Ernst, ausgestellt am 12. April 1874 von Pfarrer M. Winter aus der Pfarrkirche zu Kirdorf. Andreas war damals 14 Jahre alt.

   Kommunion-Andenken
Andreas Ernst
ausgestellt am 12. Apr. 1874  von Pfarrer M. Winter, Kirdorf 

   

 

Diese Urkunde vermittelt uns einen plastischen Eindruck darüber, welche Bedeutung dem Ereignis der Erstkommunion in der damaligen Zeit beigemessen wurde. Auf ähnliche Zeitzeugnisse werden wir später noch stoßen.


Das nächste, was wir über Andreas erfahren konnten, trägt das Datum 09.11.1882. Aus dem Kind ist also bereits ein fast 23-jähriger junger Mann geworden. Es ist das Datum des Diensteintritts beim 1. Oberschlesischen Infanterie Regiment Nr. 22. Über die Geschichte des Regiments ist ein Buch im Familienbesitz erhalten geblieben, Andreas hatte das Glück, daß seine zweijährige Dienstzeit in die Zeit zwischen die großen Auseinandersetzungen des Deutsch-Französischen und des Ersten Weltkrieges fiel. Da seine Dienstzeit also zu Friedenszeiten stattfand, ist er in den detaillieren Aufzeichnungen des Regimentes nicht erwähnt. Er konnte seinen Dienst unversehrt am 11.9.1884 wieder quittieren und später zur „Landwehr“ übertreten. Ein Glück, das seinen Nachkommen leider nicht treu blieb, wie wir noch sehen werden.

  aus: „Geschichte des
Oberschlesischen
Infanterie-Regiments Nr. 22

 

 

Aus dem noch vorhandenen Militär-Paß wissen wir das Stiefelmaß: Länge 27 cm, Sohlenbreite I und Weite 3. Bei seinem Abgang am 11.9.1884 erhielt er an Bekleidungsstücken: 1 Waffenrock, 1 Hose, 1 Mütze, 1 Halsbinde, 1 Hemd und ein paar Stiefel und er hatte  „...auf dem Marsche nach seinem zukünftigen Aufenthaltsort Kirdorf die Eisenbahn ... von Rastatt ... zu benutzen und sowohl die Eisenbahnkosten, als auch seine übrigen Bedürfnisse aus seinem ihm behändigten Marsch-Kompetenzen sogleich bar zu bezahlen. Das Übertreten zur Landwehr I erfolgte am 10.4.1890, zur Landwehr II am 6.4.1895. Dazwischen hatte er noch zwei Wehrübungen zu absolvieren.


 Die Ehe mit Margaretha geb. Hett

Soweit zur militärischen Laufbahn des Musketiers Ernst. Die zivile Laufbahn erreichte einen ersten Höhepunkt mit der Hochzeit am 26. Oktober 1885. Andreas heiratete die ebenfalls aus Kirdorf stammende Margaretha Hett. Margaretha ist das neunte und damit letzte Kind von Kaspar Hett und dessen Ehefrau Katharina, geb. Weiser. Den Aufzeichnungen zufolge war Kaspar Hett Maurer und Gasarbeiter. Im Familienbuch Kirdorf ist diese Familie unter der Nr. 1252 zu finden. Neben den Wehrheims und Brauns ist dies nun die dritte Kirdorfer „Ur-Dynastie“ in die unsere Vorfahren ein-heirateten – auf weitere werden wir noch stoßen!

Über den Empfang des Heiligen Sakramentes der Ehe wurde von der Kirche eine Urkunde ausgestellt, die erhalten geblieben ist und die ich dem Leser nicht vorenthalten möchte. Sie wurde am 25. Oktober 1885 in Kirdorf ausgestellt.

 

   

Urkunde über Empfang des  Heiligen Sakramentes der Ehe für Andreas Ernst und Ehefrau Margaretha geb. Hett  
ausgestellt am 25.Okt.1885 
in Kirdorf

 

Glücklicherweise ist auch das Hochzeitsbild erhalten geblieben, so daß wir erstmals die Gelegenheit haben, einen – pardon zwei - unserer Vorfahren im jugendlichen Alter kennen zu lernen:

 

Hochzeitsbild Andreas Ernst und
Ehefrau Margaretha, geb. Hett 

   

 

Allerdings wissen wir bezüglich dieses jungen Paares bis heute noch nicht, wo es die ersten gemeinsamen Jahre verbrachte. Auch sonst wissen wir nicht allzu viel. Als Berufsbezeichnung des Andreas ist „Fabrikarbeiter“ überliefert, mit Details zur beruflichen Laufbahn können wir ebenfalls noch nicht aufwarten. Konkrete Informationen gibt es dann wieder im Jahr 1886: Am 2. September kommt das erste Kind zur Welt: Ein Junge, der den Namen Georg Adam erhält. Hier ein Auszug aus dem Kirchenbuch St. Johannes, Geburten:

1886/438, September/nat.2./bapt.5.  
Georgius Adamus filius legit. Andreas Ernst operari.. in fabrica et Margarethae Hett conjugum.
Levante Adamo Ernst
oo 3.10.1920 mit Elisabeth Hett dahier.

Taufpate dürfte wohl der eigene Onkel gewesen sein (Adam Ernst, Bruder von Andreas). Der „Onkel“ war allerdings zu diesem Zeitpunkt gerade mal 10 Jahre alt. Der kleine Neuankömmling, um den es hier geht, ist kein anderer als mein eigener Großvater oder „Opa“. Nähere Einzelheiten mögen an dieser Stelle unerwähnt bleiben - selbstverständlich wird ihm ein eigenes Kapitel in der Familienchronik gewidmet.


Bevor das zweite Kind zur Welt kommt, muß Andreas die erste der bereits erwähnten Wehrübungen ableisten. Dem Wehrpaß entnehmen wir unter dem Datum 18.02.1887 folgenden Eintrag: „War vom 7. bis incl. 18.2.87 zu einer 12-tägigen Übung eingezogen. Ausgebildet mit dem Infanteriegewehr No. 71/84. Entlassen am 18.2.87 nach Kirdorf Kreis Obertaunus. Wiesbaden, d. 18.2.87.“ Als eintragende Kommandobehörde ist das Hessische Füssilier Regiment No. 80 vermerkt.

 

  Auszugsweise Abbildung des Wehrpasses...

... dem wir einige interessante Details aus dem Leben des jungen Andreas Ernst entnehmen konnten 


 


Der Feuerwehrmann

Im Jahr 1887 finden wir einen weiteren interessanten Hinweis auf das Leben und Wirken von Andreas Ernst. Er wird als eines der Gründungsmitglieder der „Freiwilligen Feuerwehr Kirdorf“ aufgeführt. Neben Andreas Ernst, der einwandfrei zugeordnet werden kann, taucht in der Liste der Gründungsmitglieder auch ein Adam Ernst auf. Mir sind für diesen Zeitpunkt zwei Personen dieses Namens bekannt: Der am 11.11.1875 geborene Bruder von Andreas – der aufgrund seines geringen Alters als Gründungsmitglied der Feuerwehr ausscheidet – und der am 25.9.1838 geborene Bruder von Johann Georg Ernst, also dem Onkel „unseres“ Andreas. Dieser käme aufgrund seines Alters durchaus in Frage, er wäre dann ca. 49 Jahre alte gewesen. Bei diesem Adam Ernst handelt es sich im übrigen um den direkten Vorfahren der Kirdorfer „Weißbinder – Ernste“.

Es existiert noch ein Bild, das wahrscheinlich aus der Gründerzeit der Kirdorfer Feuerwehr stammt. Es ist nicht auf Papier entwickelt, sondern auf Blech (vgl. unten) und im Laufe der Zeit stark nachgedunkelt; hier eine Kopie:

 

 

 

Das Bild zeigt drei Männer in Feuerwehruniform und einen kleinen Jungen. Einer der Männer hält ein Schild in der linken Hand. Die Aufschrift ist schon so verblasst, dass bis heute niemand in der Lage war, sie zu entziffern. Mit etwas gutem Willen könnte man den Schriftzug „Kirdorf“ darauf vermuten. Leider sind auch die Namen der abgebildeten Personen nicht überliefert. Da es aus unserem Familienbesitz stammt, ist naheliegend, dass auf dem Bild mindestens ein Ernst zu sehen ist. Es könnten sich sogar insgesamt 3 Ernste darauf befinden: Andreas Ernst, dessen Onkel Adam und der gerade mal 11 jährige Bruder Adam – aber das ist reine Spekulation. Nachdem ich - insgesamt gesehen - sicherlich schon mehrere Stunden ratlos vor diesem Bild gesessen hatte, glaubte ich zunehmend, an dem linken Feuerwehrmann die Gestalt und Gesichtszüge meines Urgroßvater Andreas  erkennen zu können. Natürlich mag dabei der Wunsch Vater des Gedankens gewesen sein. Der Wunsch, endlich einmal etwas Konkretes über das Schicksal meiner Vorfahren zu erfahren und den schier endlosen Namen- und Datenkolonnen konkrete Gesichter zuweisen zu können.

Angeregt durch dieses "Blechbild" habe ich mich auch ein wenig mit der Geschichte der Fotographie befasst. Für mich ist dies die erste direkte Berührung mit einer Fototechnik, bei der es sich vermutlich um eine "Daguerreotypie" handelt. Hier eine kurze Erläuterung zu diesem frühen Verfahren: Für Daguerreotypien (benannt nach dem Franzosen Louis Jacques Mandé Daguerre, 1757 - 1851) wurden Kupferplatten mit Silber überzogen. Anschließend hielt man sie über eine Jodlösung, um sie zu sensibilisieren. Nach der Belichtung wurde die Platte über einen Kasten mit erhitztem Quecksilber gehalten, wodurch das Bild sichtbar wurde. Anschließend tauchte man es in eine Kochsalzlösung, um es zu fixieren, also haltbar zu machen (Quelle: Fotographie, Dave Yorath). Dieses Verfahren, das als die Ur- oder Vorform der modernen Fotographie betrachtet werden kann, erlebte seine Blüte in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Demzufolge könnte das Bild sogar noch wesentlich älter sein, als oben von mir geschätzt (also noch aus einer Zeit vor Gründung der Freiwilligen Feuerwehr Kirdorf stammen).

Damit neben den Freunden der Fotographie auch noch die Feuerwehr-Freunde auf ihre Kosten kommen, hier ein paar Details zu den Ereignissen 1887: Ein Jahr zuvor hatten sich in unserer Heimatstadt mehrere Großbrände ereignet, deren Bekämpfung die Schwächen einer Pflichtfeuerwehr offenbarten. Unterstützt vom damaligen Hauptmann der Homburger Freiwilligen Feuerwehr, dem bekannten Baurat Louis Jacobi, ergriff der Kirdorfer Bürger August Robert Wehrheim die Initiative zur Gründung einer Freiwilligen Feuerwehr. Am 21. November 1887 fand im Gasthaus "Zur Stadt Bad Homburg" (Anmerkung: "Leitsch", Kirdorfer Straße) die Gründungsversammlung statt (Quelle: Festschrift "100 Jahre Freiwillige Feuerwehr ... 1988"). 


Doch nun zurück zu unserem jungen Ehepaar: Im gleichen Jahr, fast zeitgleich mit den eben geschilderten Vorgängen bringt Margaretha Ernst, geb. Hett, genannt "Gretche" ihr zweites Kind zur Welt, einen Sohn. Er wird auf den Namen Heinrich Alexander getauft, wir schreiben den 17.11.1887:

Auszug aus Kirchenbuch St. Johannes, Geburten:
1887/444, Ernst, 21. / 27. Henricus Alexander filius legitimus Andreae Ernst operarii et Margaritae Hett conjugum hujatum. Levante Henrico Alexandro Hett hujate.   
+ 20.10.1888 

Bevor das nächste Kind das Licht der Welt erblickt, weilt der kleine Heinrich Alexander allerdings schon nicht mehr unter den Lebenden. Er stirbt bereits ein Jahr später am 20.10.1888. 

Das nächste Kind ist ein Töchterchen. Es kommt am 20.05.1890 zur Welt und erhält den Namen Maria Magdalena. Die Abschriften der Kirchenbücher liegen mir für diesen Zeitraum zur Zeit noch nicht vor (sie reichen nur bis etwa 1888). Diese und  weitere Angaben beruhen deshalb wieder auf dem Familienbuch Kirdorf, wobei jetzt auch zunehmend auf Unterlagen der Familie zurückgegriffen werden kann. 

Für das Jahr 1891 finden wir wieder einen Eintrag im Wehrpaß. Andreas wird zu einer weiteren Wehrübung eingezogen: „... vom 21. bis 30.4.91 zur Übung eingezogen. Ist mit Gewehr 88 ausgebildet. Entlassen nach Kirdorf Kr. Obertaunus. Führung: Gut. Wiesbaden, den 30 .April 1891. Eintragende Kommandobehörde ist die 2. (unleserlich) Übungskompanie Wiesbaden. Abgestempelt ist der Eintrag allerdings mit einem Stempel des „Königlich Preussischen Füssilierregiment von Gersdorff (Hessisches No. 80)“. 

Am 09.11.1891 kommt ein weiterer Junge zur Welt. Er erhält wie sein Vater den Namen Andreas. Am 05.08.1894 folgt ein Mädchen mit Namen Maria Anna und am 02.05.1896 kommt als sechstes und letztes Kind ein weiterer Sohn zur Welt, der den Namen Christoph erhält. 

In diese Zeit fällt auch der Erwerb der Liegenschaft Friedberger Str. 12. Bei einer späteren Eintragungsänderung im Grundbuch wird auf eine Urkunde vom 29. Januar 1894 Bezug genommen. Etwa zu diesem Zeitpunkt muß das Haus bezugsfertig geworden sein. Das deckt sich auch mit der Jahreszahl, die in die Kellerdecke eingeritzt worden war und fast exakt 100 Jahre später bei einer Renovierungsaktion wiederentdeckt wurde (vgl. Kapitel 4 „Der Wohnsitz“). Von nun an kommt also Licht in das Dunkel der Frage, wo unsere Vorfahren ansässig waren. Das nachstehende Bild entstand etwa 20 Jahre später; da es aber die (bisher) älteste gefundene Abbildung des Hauses Friedberger Str. 12 ist, habe ich es an diese Stelle platziert:  

 Bisher älteste gefundene Aufnahme 
des Hauses Friedberger Str. 12. 
links: Maria Magd.
Hofacker geb. Ernst mit einem ihrer Kinder, rechts Georg Adam Ernst 

   

 


Die Jahrhundertwende - Kirdorf wird Homburg 

Sobald wir wir uns dem Jahrhundertwechsel nähern, werden wir zwangsläufig auch mit dem Ereignis konfrontiert, daß erst kürzlich - nachdem es sich zum 100. Mal jährte - noch einmal die Gemüter der Kirdorfer erhitzte. Gemeint ist die Aufgabe der  Selbständigkeit, das Ende Kirdorfs, die Eingemeindung, die "Zweckheirat" mit Homburg. Ich weiß nicht genau, welche Position "unser" hier beschriebene Andreas Ernst zu diesem politischen Ereignis eingenommen hatte, vermute aber, daß es keine sehr wohlgesonnene war. Obwohl ich selbst bei den 100-Jahr-Feierlichkeiten mitgewirkt habe, bin ich mir ziemlich sicher, daß diese - heute gerne als "Zweckheirat" dargestellte - Entscheidung den damals lebenden Charakteren sehr suspekt war und kein Anlaß zur Freude oder gar zum Feiern gegeben hatte. Ich weiß das alles nur vom "Hörensagen", denn meine Urgroßeltern konnte ich leider nicht mehr persönlich  kennenernen und so lange meine Großeltern noch lebten, war ich zu klein für die Große Politik. Also bin ich wieder mal auf meinen Vater angewiesen - und nach dessen Erinnerung war die Eingemeindung bei den Kirdorfern, mit denen er in seiner Jugend zu tun hatte, eher ein rotes Tuch. Man kann dafür auch noch deutlichere Worte gebrauchen, aber die möchte ich mir hier ersparen. Lieber möchte ich noch kurz die Hauptakteure dieser damaligen "Zweckheirat" vorstellen, die beiden Bürgermeister: Dr. Carl August Tettenborn für Bad Homburg und den letzten Kirdorfer Bürgermeister Heinrich Raab:

 

Dr. Carl August Tettenborn 
(1858 - 1938)
ab 1892 Bürgermeister der Stadt Homburg

 

Heinrich Raab 
(1847 - 1912)
Kirdorfer Bürgermeister zur Zeit
der Eingemeindung

 

Quelle: Diese beiden Bilder sind dem Programm zur Lokalposse "Die gelungene Zweckheirat" im Jubiläumsjahr  2002  entnommen.


Doch nun wieder zurück zu den Ereignissen in unserer Familie:

Die ersten Dokumente aus dem neuen Jahrhundert sind wieder einmal Kommunionandenken, und zwar die der beiden jüngsten Kinder Maria Anna und Christoph aus den Jahren 1907 und 1909:

 

 

Kommunionandenken von   
Maria Anna Ernst 
ausgestellt am 07. April 1907 
von Dekan Zervas, Kirdorf 

 

 

Kommunionandenken 
von Christoph Ernst  
ausgestellt  
am 18. Apr. 1909  
von Dekan Zervas, Kirdorf. 

   

Christoph Ernst

Bleiben wir noch einen Moment bei dem jüngsten Sohn Christoph. Die nächste Nachricht über ihn ereilt uns aus dem Ersten Weltkrieg. Die Zeit der schönen Bilder ist vorbei. Christoph fällt am 24. April 1916 in den Kämpfen bei Verdun, Frankreich. Ein Bild von ihm ist uns glücklicherweise erhalten geblieben: 

Christoph Ernst,
jüngster Sohn
geb. 02.05.1896,
gefallen 1916 bei Verdun. 

   

Wie überall liegen auch hier Freud und leid nah beieinander: Im gleichen Jahr feiert die Tochter Maria Magdalena Hochzeit mit Emil Hofacker. Aus dieser Ehe werden später Martin und Maria Hofacker hervorgehen. Maria wiederum wird Hans Dillmann heiraten, so daß für all die, die es nicht wissen sollten, hiermit auch die verwandtschaftlich Beziehung zu den Hofackers und Dillmanns geklärt ist. Die Familie Dillmann lebte noch in den ersten Jahren meiner Kindheit zusammen mit uns im Haus Friedberger Str. 12. 

Doch zurück zum Ersten Weltkrieg: Der älteste Sohn Georg Adam ist - wie sein Bruder Christoph - ebenfalls im Krieg. Er wird verwundet, überlebt aber glücklicherweise und kehrt zurück. 

   

Georg Adam Ernst  
(dritter von links mit Kreuz auf der Brust)  
im Lazarett

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gibt es wieder Erfreulicheres zu berichten. Im Jahr 1920 wird gleich zweimal geheiratet. Zunächst heiratet der jüngere Sohn Andreas. Am 22 August 1920 findet die Hochzeit mit Mathilde Hett statt. Die aus dieser Ehe entspringende Tochter Gisela wird später August Lauth heiraten. Am 03. Oktober 1920 folgt der älteste Sohn Georg Adam mit seiner Elisabeth Hett – meiner Großmutter. Weitere Einzelheiten und Bilder von meinen Großeltern möchte ich mir an dieser Stelle ersparen, da den beiden selbstverständlich ein eigenes Kapitel in der Familienchronik gewidmet wird.

Nur zu gerne würde ich aus dieser interessanten Zeit mit mehr Details aufwarten – alleine, es mangelt mir an solchen; zumindest sind mir bislang keine zugetragen worden. An Zeitzeugnissen liegt mir das Quittungsbuch der Spar- und Leihkasse Kirdorf vor, in dem peinlich genau alle Zahlungen vermerkt sind, die Andreas Ernst für die auf dem Grundstück Friedberger Straße 12 lastende Hypothek leistete – und zwar beginnend am 1.1.1918 mit vierteljährlich 63,00 Reichsmark zur letzten Rate von 251,05 Mark am 30.12.1945. Der Gesamtbetrag der Hypothek muß den Unterlagen zufolge bei 4.500 Mark gelegen haben.

Das nächste Zeitzeugnis ist ein wenig makaber. Es hängt damit zusammen, daß Andreas und Margarethe Ernst am 26. Oktober 1935 ihre Goldene Hochzeit feiern konnten. So kommt es, daß sich unter den erhaltenen Glückwunschschreiben auch ein Brief aus Berlin befindet, mit dem ein gewisser Führer und Reichskanzler Adolf Hitler den beiden persönlich einen langen und ungetrübten Lebensabend im Kreise der Familie wünscht.

Andreas Ernst mit Ehefrau Margarethe und Tochter Maria Anna 

 

    

 

Es war zu Beginn des Zweiten Weltkriegs – etwa 1940 – als die Familie Föller aus dem Haus Friedberger Straße 12 auszog und damit für Sohn Adam Ernst und dessen Familie (Ehefrau Elisabeth und die beiden Kinder Heinrich und Herbert ) Platz machten.. Zuvor hatten diese in der Kirchgasse gewohnt, näheres darüber später, wenn wir über die Familie des Adam Ernst en detail berichten. Abgesehen vom Leid des Krieges war dies keine einfache Zeit. Die Schicksalsschläge häufen sich. Zuerst wird die mit im Hause lebende Tochter Maria Anna zum Pflegefall. Sie stirbt am 10. Januar 1940 an Leberkrebs, etwa ein Jahr später – am 12 April 1941 folgt Ehefrau Margarethe, ebenfalls nach langer Pflegebedürftigkeit. Im September des darauffolgenden Jahres weilt Andreas selbst nicht mehr unter den Lebenden. So bleiben ihm die bitteren Nachrichten vom Tod des Enkels Heinrich (in Russland gefallen) und der Tochter Maria Magdalena (beim Luftangriff auf Frankfurt umgekommen) erspart.

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